
Trocken werden – mir ist aufgefallen, dass der lange Abschied von der Windel den meisten Eltern schwerer zu schaffen macht als ihren Kindern. Ich wollte wissen, was da los ist, warum sich in Familien für eine Weile alles um die Toilette samt Inhalt dreht. Also besuchte ich den Themen-Elternabend der KiTa, bevor uns ggf. das Kack-Drama ins Haus steht. Und das war gut so …
Es begann vor drei Wochen. Die Leiterin der KiTa-Gruppe strahlte mich an und erklärt, das Kind habe heute beim ersten Wickeln eine komplett trockene Windel gehabt. Das sei ein Zeichen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es trocken würde. Wow! Damit hatte ich nicht gerechnet. Der Junge ist zu der Zeit zweieinhalb Jahre alt, geht regelmäßig aufs Töpfchen und hat auch nichts gegen Windeln.
Mythos Sauberkeitserziehung
Die schöne junge Frau, die mit ihrer oberbayerischen Zunge meine Dialektkompetenzen auf eine harte Probe stellt, kennt sich aus. Sie spricht von Sauberkeitsentwicklung, statt von Sauberkeitserziehung. Sie weiß, was sich in der Hirnforschung der letzten Jahren getan hat. Ich bin beeindruckt und sicher, dass nicht jede KiTa in dörflicher Umgebung mit soviel Kompetenz glänzen kann.
Altlasten – trocken werden auf KnopfDRUCK
Zwei Teilnehmerinnen des Elternabends kommen ursprünglich aus Ostdeutschland. Sie erzählen, dass dort die Kinder früher im Kindergarten stündlich auf die Toilette / das Töpfchen gesetzt wurden und wehe, danach war nichts drin! Auf diese Weise wurden die Kinder kollektiv mithilfe von Druck und Erpressung zum Toilettengang genötigt. Manchmal bereits im Alter von einem Jahr. Sowas, erklärt die Schöne, erzeuge nur Gegendruck. Und der verschlösse alle Öffnungen – und vermutlich beschädige er auch die Bindungsfähigkeit des Kindes. Wer sich für KiTa-Erziehung in der ehemaligen DDR und deren psychische Folgen interessiert, wird in den KiTa-Fachtexten fündig. Sehr interessant!
Kleine Toilettenfibel – ab wann Kinder trocken werden
Wann kann ein Kind trocken werden ? Ich lerne, dass Kinder zwischen 18 und 36 Monaten mit der Sauberkeitsentwicklung beginnen. Durchschnittlich zehn Mal pro Tag urinieren sie, einen Kloß in der Windel finden ein bis drei Mal pro Tag oder auch alle zwei Tage, je nach Kind. Die Kontrolle der Blase ist wegen der Pinkel-Häufigkeit viel schwieriger zu erlernen als den festen Stuhlgang. Interessant finde ich, dass die meisten Kinder feste Stuhlgang-Zeiten haben. Ich habe jetzt mal darauf geachtet – es stimmt!
TIPP Wenn ihr wisst, wann euer Kind für gewöhnlich auf Toilette muss, könnt ihr besser auf die vielfältigen Zeichen achten und schnell einen Klogang einschieben.
Trocken werden – use the gate!
Bei Kindern gibt es sogenannte Entwicklungsfenster, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt öffnen. Sie zeichnen sich durch eine besondere Lernbereitschaft auf einem bestimmten Gebiet aus. Wenn ein Kleinkind sauber werden will, braucht es Unterstützung und aufmerksame Eltern. Zieht es sich z. B. in eine Ecke zurück, um in Ruhe zu thronen, ist das so ein Zeichen für einsetzende Reife. Dann können, so die Pädagogin, Windelhosen statt Windeln verwendet werden. Will das Kind sauber werden, wird es sie gern selbstständig herunterziehen, um sich auf Toilette oder Töpfchen zu setzen. Das käme, so die Pädagogin, auch dem zunehmenden Bedürfnis nach Autonomie entgegen, das typisch sei für dieses Alter.
Verpassen wir als Eltern das Entwicklungsfenster der Sauberkeit, also gewisse Reifungssignale, kann sich die Sauberkeitsentwicklung verzögern.
TIPP Wer Geduld und genug Wechselwäsche zuhause hat, kann das Kind nur in Unterhose spielen lassen. So merkt es leichter, wenn es in die Hose gemacht hat. Es bekommt den Prozess im wahrsten Sinn hautnah mit.
Durch diese Reifezeichen merkst du, dass dein Kind sauber werden will
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- Das Kind folgt dir auf die Toilette um zuzusehen, was du dort machst
- Es interessiert sich für seine Ausscheidungen und stellt Fragen dazu
- Dein Kind spielt mit Puppen und Stofftieren Toilette
- Es beobachtet ältere Kinder und versucht, den Toilettengang nachzumachen
- Das Kind zieht sich selbstständig die Windel aus
- Dein Kind ist zwischen 2 und 3 Jahren alt
MERKE Was ich nicht wusste: Wenn ein Kind nur Bescheid sagt, dass es die Windel gefüllt hat, ist das noch kein sicheres Zeichen, dass das Kleinkind sauber werden will. Es geht darum, dass das Kind spürt, das etwas im Bauch passiert.
Was hilft beim trocken werden?
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- Vorbild sein – geht mit euren Kindern auf Toilette, lasst sie zusehen und nachmachen
- Geschwister und andere Kinder sind die besten Vorbilder!
- Erklärt euren Kindern die Verdauung: Was oben rein kommt, kommt unten wieder raus und landet in der Kanalisation
- Zwingt die Kinder niemals auf die Toilette zu gehen. Bietet es ihnen dafür immer wieder an
- Lasst die Windeln weg, wenn es warm ist – im Sommer funktioniert trocken werden am besten!
- Unterstützt die Kinder in ihrem Drang nach Selbstständigkeit – das hilft beim sauber werden
- Freut euch mit den Kindern über ihre Ausscheidungen und schätzt sie wert
- Zeigt den Kindern ihre Exkremente – sie sind das erste, was sie von sich hergeben und für sie sehr wertvoll!
- Habt Geduld – Sauberkeitsentwicklung lässt sich nur unterstützen, nicht beschleunigen!
- Geht spielerisch und ohne Druck an die Sache heran – umso besser kann das Kind seiner genetisch angelegten Geschwindigkeit entsprechen
- Habt genug Unterwäsche zuhause, damit ihr keinen Stress bekommt und doch nochmal zur Windel greift
- Entwickelt gemeinsam Rituale und Geschichten rund ums Toiletten-Business – wie wir es z. B. beim Zähneputzen mit den Zahnkobolden machen
- Lasst die Kinder entscheiden, ob sie auf Töpfchen oder auf die Toilette gehen möchten – wir bieten immer beides an
- Kleidung wählen, die das Kind selbst an- und ausziehen kann
- Mit Bilderbüchern, Geschichten und Gesprächen zum Thema spielerisch unterstützen
Der Schatz im Darm
Ob in der Windel oder auf der Toilette – Kinder wollen oft ihre Ausscheidungen ansehen und bewundern. Wir haben sie unserem Sohn gezeigt und uns mit ihm gefreut, dass er etwas von sich abgegeben hat. Es ist für Kinder wichtig, dass wir diesen Vorgang würdigen. Es handelt sich um etwas Archaisches, das der Urvater Sigmund Freud als Anale Phase bezeichnet.
Überraschung
Mich überrascht, dass die KiTa-Betreuerinnen Wickeln als angenehm empfinden. Es seien sehr intime Momente, sagen sie, in denen sie und die Kinder ganz allein miteinander Zeit verbringen und sprechen. Daraus ergäbe sich eine ganz neue Beziehungsqualität. Ebenso erstaunlich finde ich, dass sie uns auffordern, viel Wechselwäsche mitzugeben – sie finden es viel besser für die Kinder, wenn sie windelfrei herumtoben als sie ewig und ohne Verstand in Watte zu packen. Ich bin beeindruckt.
Einmal Trocken werden & zurück
Überraschung – trocken werden Kinder nicht über Nacht. Auch die Euphorie über die ersten Anzeichen ist schnell dahin. Nachdem wir die Windeln gegen Windelhosen getauscht hatten und mich Merlins morgendliche Freude über seine mit Polizeiautos verzierte Unterwäsche rührte, verging ihm die Lust auf Topf & Klo. Spielen war viel interessanter und nasse, warme Beine – kein Ding. Werden ja fix wieder warm. Tja. Jetzt hieß es Dranbleiben. Diese Rückschritte sind vollkommen normal und Teil des Reifungsprozesses.
Die Windel ist auch ein Klo! (Junge, drei Jahre alt)
TIPP Ganz wichtig ist es, jetzt bei Windelhose oder ganz windelfrei zu bleiben: Wer aus Bequemlichkeit zum Einkaufen doch noch schnell eine Windel anzieht, verzögert die natürliche Sauberkeitsentwicklung.
Aus dem Takt – macht nichts
Es gibt aber auch Rückschritte, die auf Lebensereignisse oder -Veränderungen zurückzuführen sind. Es muss nicht gleich die Trennung der Eltern sein – bereits ein Ortswechsel kann ein sensibles Kind derart durcheinander bringen, dass es die neu gewonnenen Fähigkeiten, Darmbewegungen oder Harndrang wahrzunehmen, spontan verliert. Kurz: Die Kinder haben Stress. In dem Fall könnt ihr ruhig wieder eine Windel benutzen oder sonst einen Schritt zurückgehen. Vielleicht möchte das Kind auf das Abendritual verzichten, noch einmal aufs Töpfchen zu gehen – bitte sehr. Ihr kennt eure Kinder, ihr wisst, wie ihr Tempo rausnehmen könnt.
Je schneller, desto langsamer
Ich höre von Eltern, die in KiTa und Kindergarten anrufen und sich beschweren, weshalb die Kinder mit zwei Jahren noch immer nicht sauber seien und dass das doch jetzt mal was werden müsse. Natürlich kann man Kinder unter Druck setzen, erpressen und mit Belohnungen bestechen, ja, mit Angst arbeiten. Und vermutlich werden einige dieser in meinen Augen misshandelten Kinder vermeintlich sehr früh trocken werden. Zu welchem Preis das geschieht und warum das ein Trugschluss ist, weiß news.de.
Warum Kinder nicht trocken werden
Das Kind will nicht sauber werden? Zwischen 10 und 20 Prozent der Kinder entwickeln eine sogenannte Enuresis (Bettnässen), nicht zu verwechseln mit der organisch bedingten Inkontinenz. Dabei handelt es sich um eine Art unausgereifte Koordination von Körpersignalen in einer Schlafsituation, wie im Magazin Baby & Familie (2|20, Partner der Apothekenumschau) zu lesen ist. Die über 5-jährigen Kinder würden so tief schlafen, dass das Gehirn den Blasendruck nicht empfangen könne und damit eine Weckreaktion ausbliebe. Es ist gut zu wissen, dass nachts trocken werden für manche einfach etwas länger dauert. Offenbar betrifft das Jungen häufiger als Mädchen, die statistisch nachts früher trocken werden als Jungen. Der Grund dafür wird in der generell früheren Reife von Mädchen vermutet.
Die Schritte der Sauberkeitsentwicklung
Zwar unterscheidet sich die angeborene Entwicklungsart und -Geschwindigkeit von Kind zu Kind, dennoch gibt es eine generelle Entwicklungsstruktur, an der ihr euch orientieren könnt. Danke, lieber Korbinian-Kindergarten, fürs Überlassen der Zusammenfassung!
- Darmkontrolle: Schritt für Schritt, mit Freude und Geduld
- Blasenkontrolle dauert!
Angst vor der Toilette?
Manche Kinder haben Angst, in die Toilette zu fallen und herunter gespült zu werden. Nehmt das unbedingt ernst – es handelt sich um Urängste, die tief in jedem Menschen verwurzelt sind. Diese Kinder empfinden den Toilettendeckel als sehr groß im Verhältnis zu ihrem kleinen Körper und haben Angst, hinein zu fallen. Sie können nicht wissen, wohin das Wasser abfließt und sie unter Umständen mitreißt. Am besten, ihr erklärt ihnen auf einfache Weise die Kanalisation und dass alles in einem Klärwerk landet, wo es, wie mit einem Sieb, wieder gereinigt wird. Alles, was einen Namen hat, ist nicht mehr so bedrohlich, stimmt’s?
Damit im Hirn langfristig etwas verankert werden kann, muss das, was man lernen will, unter die Haut gehen. (Gerald Hüther)
Anders gesagt: Menschen brauchen Geschichten, um nachhaltig zu lernen. Deshalb: Alles, was mit Toilette, trocken werden und Exkrementen zu tun hat, sollte euren Kindern Freude machen, sie zum Lachen, Nachdenken und Ausprobieren animieren. Meine Gedanken zum Hirnforscher Gerald Hüther gehen dieser Idee nach. Wer Inspiration braucht, besorgt sich einfach eines der vielen Kinderbücher, die euch auf dem Weg zum sauber werden unterstützen. Neben den Vorschlägen der jungen, klugen und schönen KiTa- und Kindergarten-Damen (ich übertreibe nicht) habe ich meine Freundinnen und Leserinnen befragt.
Leseliste
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- Kalle Klopirat*
- Moritz Moppelpo braucht keine Windel mehr*
- Der kleine Klo-König* (Leserinnen-Favorit!)
- Mein Töpfchen-Schnuller-Anziehbuch*
- Wieso, weshalb, warum? Zähneputzen, Pipi Machen*
- Duden Mika will keine Windel mehr*
Bald trocken werden : Was hilft sonst?
Der Vergleich einer handelsüblichen Klobrille mit einem Kinderpo macht es offensichtlich: Die beiden passen NICHT zusammen! Dafür haben wir eine Reihe Hilfsmittel ausprobiert oder sie wurden uns empfohlen. Die KiTa- bzw. Kindergarten-Damen finden, dass die Kinder stabil und entspannt auf der Toilette sitzen können müssen. Das lässt sich durch einen Hocker oder Schemel erreichen, auf dem die Kinder ihre Beinchen abstellen können. Ihr könnt auch ein Gestell wie auf dem Foto (siehe oben) benutzen, dort können die Kinder sich abstützen. Leider ist hier viel Plastik im Spiel – auf dem Flohmarkt ergattert ist das wiederum kein Problem, finde ich. Schön ist auch ein Töpfchen, was einer Toilette nachempfunden ist. Super finde ich auch die Sitzverkleinerungen und doppelten Klobrillen, sozusagen all-in-one. Die richtige Alles-in-einem-Lösung bietet Baby Walz. Die habe ich leider zu spät entdeckt.
Hier eine Liste sinnvoller Toiletten-Gadgets:
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- kleiner, verstellbarer Toilettensitz von Babybjörn* (unser Favourite!)
- Kinder-Toiletten mit Haltegriff*
- Toiletten-Gestell*
- Baby Walz All-inOne-Toilettensitz*
- Doppel-Toilettensitz*
Es ist Wies’nzeit!
Es ist Frühling und der Sommer lässt uns schon ein bisschen Sonne kosten, saust Merlin das erste Mal in diesem Jahr nur in Unterwäsche durch den Garten. Als ich ihn frage, ob er nicht mal pinkeln wolle, stellt er sich mit gebeugten Knien vor die Rutsche und – pinkelt! Das wiederholt sich an dem Tag noch drei Mal und auch die nächsten Tage möchte er nur noch auf der Wiese im Garten pinkeln. Sein Freund Kristof, zwei Jahre alt, beobachtet ihn mit großen Augen und offensichtlich interessiert – es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis bei uns im Garten im Duett gepinkelt wird. An diesem Tag hat Merlin seine allerletzte Windel selbst zum Mülleimer getragen und hineingeworfen.
Wie läuft es bei euren Kindern mit dem trocken werden? Haben eure Kleinen schon den ersten Schritt in Richtung windelfrei gemacht oder dauert es noch ein bisschen? Wir finden, das wichtigste ist Geduld. Wie seht ihr das?
Wir wünschen euch einen milden Frühling und viel Sonne, um windelfrei die Welt zu erkunden.
Habt’s gut!
Eure Tanja
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