Eine schwarze Katze im Tierheim Dachau

Tierheim Dachau (1 / 3) – ich durfte hinter die Kulissen des Tierheim Dachau schauen und habe euch im erstem Teil der Miniserie über den Tierschutzverein Dachau ein Interview mit der Tierärztin und -Pflegerin Leonie Lazaar mitgebracht. Ihr erfahrt, was ihr beachten müsst, wenn ihr ein Tier adoptieren wollt, was ihr als ehrenamtliche Helfer erleben könnt und warum vor den Ferien nicht mehr Hunde und Katzen im Tierheim sitzen als sonst.

Ein Schrei. Wäre ich nicht im Tierheim Dachau, würde ich glauben, ich müsste einem misshandelten Baby zu Hilfe eilen. Stattdessen erklärt mir Leonie Lazaar, aus deren Nachnamen die Autokorrektur treffsicher Laser macht, dass es sich um Ingo, den einsamen Papgeien aus einer Beschlagnahmung handelt. Leonie Lazaar ist hier, im Tierheim Dachau, Tierärztin und -Pflegerin in Personalunion. Sie kümmert sich um kranke Tiere, bereitet Futter zu, fährt mit zu Tierschutz-Einsätzen. Zu schade ist sich Leonie Lazaar für nichts.

Steckbrief – wer ist Leonie Lazaar aus dem Tierheim Dachau?

  • aus Stuttgart. Dort geborgen, mit zwei Jahren umgezogen, hat danach alle fünf Jahre woanders gelebt
  • studierte Veterinärmedizin in München
  • arbeitet seit Januar 2010 im Tierheim Dachau
  • davor Doktorarbeit und Tätigkeit in einer PR-Firma, wo sie fast „hängen geblieben“ wäre
  • arbeitet lieber im Tierheim als in einer Tierarztpraxis, weil man eine engere Beziehung zu den Tieren aufbauen kann und es für sie erfüllender ist
  • wohnt mit Ehemann und zwei Hunden (Chihuahua aus Beschlagnahmung, Bearded Collie vom Züchter) in München
  • liebt Kinder und Tiere
  • ärgert sich über Vorurteile und „falsche“ Tierliebe
  • wünscht sich mehr Rücksichtnahme von den Menschen und dass sie sich besser über Tierhaltung informieren
  • Vision fürs Tierheim Dachau: mehr Verständis für die Arbeit dort

Leonie ist im März 2018 Mama ihres ersten Kindes geworden❤️

Ein Interview mit Leonie Lazaar, 24. Mai 2017

Von Tanja Conrad

Tanja Leonie, es gibt das Gerücht, dass Tierheime im Sommer besonders viele Katzen und Hunde aufnehmen müssen, weil die vor Ferienbeginn ausgesetzt werden. Stimmt das?

Leonie Ich kann auf die Ferien bezogen nicht mehr Zugänge beobachten. Im Sommer ist besonders viel los, weil die Wurfsaison der Katzen beginnt. Wir haben im Winter nur ein Viertel des Sommer-Bestands. Ab Mai bekommen wir Katzenwelpen – mit und ohne Mutter.

Tanja Und wie geht es dann weiter?

Leonie Wenn sie alt genug sind, werden sie hier aufgezogen. Alle, die noch die Flasche brauchen und ohne Muttertier hier ankommen, verteilen wir auf Pflegeplätze. Dort werden sie gepäppelt, bis sie selbstständig fressen können. Dann kommen sie wieder zu uns zurück.

Tanja  Und wie sieht es mit der Nachfrage aus, gibt es da auch saisonale Unterschiede?

Leonie Bei den Kleintieren, Meerschweinchen und Kaninchen, haben wir im Sommer mehr Anfragen, weil der Trend dahin geht, diese Tiere draußen zu halten.

Tanja Würdest du sagen, dass es gut ist, Kleintiere draußen zu halten oder ist eine Käfighaltung auch in Ordnung?

Leonie Für Kaninchen ist die Außenhaltung optimal.

Kaninchen sind eher hitze- als kälteempfindlich.

Tanja Aber im Winter kommen sie rein.

Leonie Kaninchen können auch im Winter draußen leben – wenn sie einen warmen Schlafplatz haben. Sie sind eher hitze- als kälteempfindlich, wenn sie die Außenhaltung gewöhnt sind.

Tanja Ich bin totaler Meerschweinchen-Fan. Darf ich deren Lager auch nach draußen verlegen?

Leonie Bei Meerschweinchen muss man vorsichtig sein, dass sie sich nicht verkühlen und eine Lungenentzündung bekommen. Bei Hamstern ist Außenhaltung nicht möglich.

Tanja Die kommen ja ursprünglich auch aus Südamerika. Ist eine Käfighaltung überhaupt in Ordnung?

Leonie Sofern ein Meerschweinchen oder Kaninchen genug Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten hat und artgerecht ernährt wird, sehe ich keine Probleme.

Tanja Ist es eigentlich artgerecht, so ein Kleintier allein zu halten?

Leonie Einzelhaltung bei Meerschweinchen und Kaninchen würde ich überhaupt nicht empfehlen.

Wir können Kleintieren den Sozialpartner nicht ersetzen.

Tanja Wieso?

Leonie Wir können ihnen den Sozialpartner nicht ersetzen. Meerschweinchen und Kaninchen kommunizieren miteinander, suchen auch Körperkontakt zueinander. Meerschweinchen unterhalten sich regelrecht. Und deswegen würde ich immer mindestens eine Paarhaltung bevorzugen.

Tanja Kann man Meerschweinchen und Kaninchen zusammen halten?

Leonie Ja, das ist ok, aber sie sollten auch immer einen Artgenossen haben.

Tanja Und wie läuft das ab, wenn eine Familie mit Kindern ein zweites Meerschweinchen, einen Hund oder eine Katze adoptieren möchte?

Leonie Vor allem muss die Chemie stimmen. Und es kommt darauf an, wie das Tier ist und welchen Charakter die Kinder haben.

Nicht jedes Tier ist mit Kindern entspannt.

Tanja Was bedeutet das konkret?

Leonie Nicht jedes Tier ist mit Kindern entspannt. Manche reagieren aggressiv, andere ziehen sich zurück. Auch die Kinder sind unterschiedlich. Einige gehen sehr bedächtig mit Tieren um, manche sind sehr lebendig und werden mitunter auch mal grob. Da sind dann die Eltern gefordert einzuschreiten.

Tanja Hast du ein Beispiel?

Leonie Wir haben einmal junge Katzen an eine Familie vermittelt mit dem Gefühl, dass das passen könnte. Die Katzen wurden unsauber, weil sie sich mit den Kindern nicht wohl gefühlt haben.

Wir nehmen uns Zeit, gemeinsam das richtige Tier zu finden.

Tanja Wie findet ihr raus, ob ein Tier zu einer Familie passt?

Leonie Wir nehmen uns Zeit, gemeinsam das richtige Tier zu finden. Das kann auch mal ein paar Wochen dauern. Bei vielen Tieren wissen wir nicht, wie sie auf Kinder reagieren. Deshalb müssen wir ausprobieren, wie Kinder und Tiere miteinander klar kommen.

Tanja Können die Familien ihr Lieblingstier gleich mit nachhause nehmen?

Leonie Nein. Viele kommen einige Male ins Tierheim, bis sie es dann mitnehmen können. Manche setzen sich mit ins Zimmer oder gehen mit dem Hund Gassi. So bauen sie eine Bindung zum Tier auf und können schauen, ob das auch auf Dauer harmoniert. Bevor das Tier aus dem Tierheim Dachau ausziehen darf, schauen wir uns immer das neue zu Hause an.

Tanja Was sonst rätst du Familien, die sich für ein Tier aus dem Tierschutz interessieren?

Leonie Manchmal fragen Leute, wann wir wieder Katzen- oder Hundewelpen bekommen. Darauf haben wir natürlich keinen Einfluss. Wir haben aber eine Liste mit anderen Tierschutzvereinen, die wir Interessenten mitgeben. Dort können sie sich auch nach dem richtigen Tier für sich umschauen.

Tanja Zum Thema Gassi gehen – kann sich jeder bei euch einen Hund zum Spazierengehen holen oder nur Interessenten?

Leonie Jeder, der bei uns Gassi gehen möchte, sollte am Gassi-Geher-Gespräch teilnehmen. Da wird einem erklärt, wie man mit den Tieren umgehen sollte, wenn man draußen unterwegs ist und was man auf gar keinen Fall tun sollte: Den Hund von der Leine zu lassen oder ihn zu einem anderen Hund hingehen lassen. Die Gassi-Geher-Schulung hat übrigens auch versicherungstechnische Gründe.

Wir geben keinen Hund übers Wochenende mit nachhause.

Tanja Kann man bei euch übers Gassi gehen hinaus auch einen Pflegehund haben, wenn man nicht in der Lage ist, ein Tier dauerhaft aufzunehmen?

Leonie Es gibt aktive und passive Patenschaften bei uns. Aktive Patenschaft heißt, dass man schon regelmäßig vorbeikommt und sich mit dem Tier befasst. Wir geben keinen Hund übers Wochenende mit nachhause. Für das Tier ist es nicht verständlich ist, warum es nach dem Wochenende wieder zurück ins Tierheim muss.

Tanja Und wenn das Interesse noch weiter geht und die Leute Lust haben auf Ehrenamt – wie läuft das?

Leonie Wir laden die Leute ein und zeigen ihnen den Betrieb. Beim Probearbeiten merkt jeder, dass es viel Reinigungsarbeit ist.

Wir haben ein großes Interesse an ehrenamtlichen Mitarbeitern, die zum Kuscheln und Spielen kommen.

Tanja Zeit zum Kuscheln bleibt aber. Zumindest habe ich es so erlebt, als ich bei euch mitgearbeitet habe.

Leonie Wir haben ein großes Interesse an ehrenamtlichen Mitarbeitern, die zum Kuscheln und Spielen kommen. Wir schauen, was den Mitarbeitern liegt: Gassi gehen, Kleintierställe misten, Katzen kuscheln.

Tanja Für die Leute, die nicht so viel Zeit erübrigen können, aber gern spenden: Welche Art von Sachspenden braucht ihr am dringendsten?

Leonie Vor allem brauchen wir Wäsche, Bettwäsche und Handtücher.

Tanja Wieso das?

Leonie Bei infektiösen Tieren tauschen wir die Wäsche täglich aus und entsorgen sie. Und natürlich brauchen wir immer Futter! In der Sommerzeit haben wir sehr viele Katzen-Welpen. Da geht uns das Katzen- Welpen Futter schnell aus. Aber auch Futtermittel für alle anderen Tierarten sind sehr willkommen.

Tanja Wie sieht es mit Medikamenten aus?

Leonie Aufgrund der Arzneimittelverordnung dürfen wir keine Medikamente annehmen. Selbst, wenn sie noch original verpackt sind und das Haltbarkeitsdatum nicht überschritten ist. Sehr schade.

Tanja Mal abgesehen von den Schwierigkeiten, mit denen ihr umgehen müsst – was berührt dich bei deiner Arbeit im Tierheim Dachau am meisten?

Tatja Im Vergleich zur Tätigkeit in einer Tierarztpraxis habe ich ein viel engeres Verhältnis zu den Patienten. Ich arbeite auch als Tierpflegerin mit, kenne alle Tiere, fungiere stellvertretend als Besitzer. In der Tierarztpraxis weiß ich, der Besitzer kümmert sich drum. Ein Tier, dem es schlecht geht, betreuen, behandeln und beobachten wir permanent. Das geht mir näher als bei einem Tier, das einen Besitzer hat, der es versorgt – und lieb hat.

Ich wein’ da auch mal, wenn ich ein Tier einschläfere, weil ich es gut kenne und es mir sehr nahe geht.

Tanja Du hast eine besondere emotionale Bindung zu den Tieren …

Leonie Ja, genau. Wenn eines schon länger da ist und man es einschläfern muss, dann ist das für uns immer sehr traurig. Jedes Tier hat das Recht, dass man um es weint. Ich wein’ da auch mal, wenn ich ein Tier einschläfere, weil ich es gut kenne und es mir sehr nahe geht.

Tanja Zum Schluss – gibt es noch etwas, das du aus Tierschutzperspektive Tierhaltern oder Interessenten sagen möchtest?

Leonie Überlegt euch, wie eure Lebenssituation in zwei, drei Jahren aussieht, fällt keine spontane Entscheidung für ein Tier. Jedes Tier hat seine Ansprüche und bedeutet für euch auch Einschränkungen. Einfach spontan übers Wochenende wegfahren funktioniert nicht.

Macht euch klar, was diese Entscheidung im Einzelnen für euch bedeutet.

Tanja Ein gutes Netzwerk hilft …

Leonie Klärt für euch, wohin ihr das Tier mitnehmen könnt oder wo es unterkommen kann. Entscheidet euch bewusst für ein bestimmtes Tier und macht euch klar, was diese Entscheidung im Einzelnen für euch bedeutet.

Schon wieder das quäkende Singen  …

Tanja Wer ist denn eigentlich der Sänger, der den Soundtrack zum Gespräch liefert? Ist der auch zu vermitteln?

Leonie Lazaar Ja. Das ist Ingo, die Venezuela Amazone. Er sucht dringend einen Partnervogel. Wir wissen nicht, wie alt er ist, sicher schon ein älterer Vogel. Wir wissen nur, dass er männlich ist, wir haben einen DNA-Test gemacht.

Tanja Ist das bei Vögeln so schwer herauszufinden?

Leonie Bei den meisten Vögeln kannst du äußerlich nicht erkennen, um welches Geschlecht es sich handelt.

Tanja Ich hoffe, dass sich bald jemand für ihn und die anderen Tiere findet – und vielleicht haben ein paar Leser Lust bekommen, im Tierheim Dachau ehrenamtlich zu arbeiten. Es ist schon spannend, was hier so passieren kann, gerade bei Einsätzen. Das durfte ich ja live miterleben. Was ist denn eigentlich aus den kleinen, beschlagnahmten Kätzchen des Bauern geworden?

Leonie Die sind mittlerweile kräftige, wunderschöne Kater und haben einen Platz gefunden, wo es ihnen gut geht.

Aktuelles & Wissenswertes aus dem Tierheim Dachau

  • Das Tierheim Dachau ist in dringenden Notfällen rund um die Uhr unter der Nummer 08131/53636 zu erreichen
  • Derzeit sucht das Tierheim Dachau einen Tierpfleger oder eine Tierpflegerin
  • Der Tierschutzverein Dachau ist auch auf Facebook aktiv – hier erfährst du alle News zu den Tiere, Veranstaltungen und vieles mehr

Na, hast du Lust bekommen, beim Tierheim Dachau vorbeizuschauen? Ich durfte zwei Tage mitarbeiten und sogar an einem Einsatz teilnehmen. Wie das genau ablief und was mich sehr nachdenklich gemacht hat? Das erzähle ich euch im dritten Teil meiner Mini-Serie über das Tierheim Dachau. Als nächsten geht es um Wildtiere im Winter – wie gehen wir richtig mit verletzen Vögeln, untergewichtigen Igeln im November und kleinen, einsamen Feldhasenbabys um? Warum kommen die prima ohne Mama aus? Das erfahrt ihr ab 4. Dezember im Blog.