
Supertaster – du fragst dich öfter, warum dein Kind kein Grünzeug mag oder du selbst weder Bier noch Zucchini herunterbekommst? Vielleicht habe ich die passende Antwort für dich. Im Artikel erfährst du, was Supertaster sind, warum alle Babys super schmecken und sich das bei manchen nie ändert. Die Geschichte einer Geschmacksentdeckung.
Lesezeit: 4 Minuten
Bin ich Supertaster?
Igiiiiiit! Schon wieder steht ein riesiger Teller mit dampfendem Spargel auf dem Tisch. Wäre da nicht die Soße, in der ich die lästigen Stangen ertränken kann, wäre ich verloren. Wie können erwachsene Menschen bloß so ein bitteres Zeug essen? Dass ich nur die zarten Köpfe meiner Hassobjekte verspeisen wollte, lag laut meiner Familie wohl an meinem exaltierten Temperament.
Damals war ich höchstens 7 Jahre alt. Ich mochte keinen Broccoli, wurde blass beim Gedanken an Zucchini und verspürte schwindenden Lebensmut, wenn mir Chicorée aufgetischt wurde. Bei glibberigen Spiegeleiern war dann wirklich Schicht. Da der chronisch angewiderte Kinderblick am Esstisch einfach allen das Essen verdarb, bekam ich die fortan nur noch doppelseitig gebraten.
Mit etwa 16 Jahren verstand ich die Genuss-Welt überhaupt nicht mehr. Wieso tranken meine Freunde bitte schön alle Bier?! Ekliger geht’s doch kaum! Schmecken die nicht, dass Hopfen zum Bittersten gehört, das die Erde hervorbringt? Ich weiß das, seit ich letztes Jahr aus Neugier auf eine Hopfendolde biss. Und sicher 4 (!) Stunden brauchte, diesen unsäglichen Geschmack loszuwerden. Ganz zu schweigen von der traumatischen Erfahrung, dass irgendetwas bitterer als Ohrenschmalz schmecken kann.
Willkommen im Supertaster Club
Irgendwann in meinen 30-ern las ich einen Artikel über sogenannte Superschmecker. Ich lernte, dass es Menschen gibt, die weit sensibler auf die Geschmacksrichtung bitter reagieren. Bestimmte Konsistenzen auf der Zunge können sie gar nicht ertragen. Überhaupt seien die Zungen von Superschmeckern leichter zu irritieren als die normal Schmeckender.
Was ist ein Supertaster?
Das war für mich eine Sensation! Und eine Erleichterung. Mit mir war nichts verkehrt. Ich gehöre bloß zu dem Viertel der Menschheit, die Bitterstoffe und auch andere Aromen wesentlich intensiver wahrnehmen als Menschen ohne diese Disposition.
Super Taster – was macht den Unterschied?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Wissenschaft uns Geschmackssensible die Namen Supertaster oder auch Superschmecker gab.
Erste Hinweise auf das Phänomen lieferte der amerikanische Chemiker Arthur L. Fox in den 1930-er Jahren. Er verschüttete eine kleine Menge feinkristallines Pulver. Einige seiner Mitarbeiter*innen beschwerten sich, dass der Staub des Pulvers furchtbar bitter sei. Das war über die Luft auf ihren Zungen gelandet. Fox selbst empfand das nicht so.
Wir reden hier von einem Dein-Tag-ist-ruiniert-Level von bitter (Jennifer L. Smith, Universitiy of Kentucky)
Die Geschmacksforscherin Linda Bartoshuk von der Yale University testete in den 1990-er Jahren den Geschmackssinn ihrer Probanden in Bezug auf einen Bitterstoff. Das Ergebnis: Manche empfanden ihn als leicht bitter, andere nur als geschmacksneutral. Die restlichen Proband*innen empfanden ihn als ekelerregend bitter. Der Begriff Supertaster war geboren.

Warum mehr Frauen (35 Prozent) geschmackssensibel sind als Männer (10 Prozent), ist wissenschaftlich noch nicht geklärt.
Supertaster – liegt das Geheimnis in den Genen oder auf der Zunge?
Als ich schwanger war, achtete ich darauf, möglichst alle Geschmackssensationen zu erleben, die ich als vegetarisch lebende Mitteleuropäerin vertreten konnte. Warum? Mütter nehmen mit ihrer Nahrung während Schwangerschaft und Stillzeit Einfluss auf die späteren Genuss-Vorlieben ihrer Kinder. Es war mir wichtig, alle Tore offenzuhalten, die lukullische Abenteuerlust meinem Kind sozusagen frei Haus mitzuliefern.
Supertaster Definition
Was die Superschmeckerei betrifft, enden mütterliche Einflussmöglichkeiten. Denn es ist ein Gen, das darüber entscheidet, wie gut deine Zunge mit Bier und Broccoli klarkommt. Studien zufolge ist jede*r Vierte bis Zehnte ein Supertaster und damit hochsensibel in Bezug auf Geschmack und Konsistenz von Lebensmitteln.
Warum gibt es Superschmecker?
Die Wissenschaft hat entdeckt, dass Kinder ab ca. 2 Jahren beginnen, grüne Nahrungsmittel zu verweigern. Aus evolutionsbiologischen Gründen ergibt das Sinn. Kinder werden in diesem Alter immer mobiler, erkunden ihre Umgebung, probieren aus, was das Zeug hält. Und sie machen auch nicht halt vor Dingen, die giftig sein könnten. Man geht davon aus, dass sie diese Abneigung von Grünem davor schützt, Efeu & Co zu verputzen und damit Leben rettet.
Supertaster Baby
Zusätzlich sorgt die hohe Anzahl von Geschmacksknospen auf der Kinderzunge dafür, dass Kinder Bitteres und Salziges sehr intensiv schmecken. Ihre Vorliebe für Süßes macht diesen komplexen Mechanismus zum Rundumschutz des Kleinkindes vor Vergiftung.
Wir alle stammen von jemandem ab, den wir heute als mäkeligen Esser bezeichnen würden. (Nicola Schmidt, Autorin)
Ach ja. Und für uns Erwachsene ist es sicher auch nicht schlecht, den bitteren Geschmack eines Knollenblätterpilzes möglichst frühzeitig auszumachen 😉
Gibt es den Supertaster Test?
Lange glaubte die Wissenschaft, Supertaster hätten mehr Geschmacksknospen als Normalschmeckende. Das konnte jedoch widerlegt werden. Und auch, dass Supertaster bitter und nichts anderes besonders gut schmecken, ist ein Märchen. Somit sind alle Tests, die die Menge der Geschmacksknospen auf der Zunge zu bestimmen suchen, blanker Unsinn. Schade, ich weiß.
Und du so?
Ich frage mich, ob du dich jetzt fragst: Bin ich ein Supertaster? Um ehrlich zu sein: Auch ich habe dafür keinen Beweis. Ich habe mich nicht ins Labor begeben, um die Wirkungsweise meines Gens TAS2R38 bestimmen zu lassen. Dennoch bin ich mir sicher, dass ich zu diesem Viertel zähle, das köstlich aussehende Pilzpfannen, knackige rote Salate und elegante Chicorée-Blättchen aus genetischen Gründen verschmähen muss.

Ich schmecke übrigens auch Injektionen. Und wenn mich Küchenprofi Tom fragt, was so drin sei im Gericht, ja, dann lieg‘ ich oft ziemlich richtig. So, wie sein Sohn, der wie ich keine schleimigen Konsistenzen mag und Eier für Vergiftungsversuche hält. Tja, die Gene.
Vielleicht erinnern wir uns öfter daran, wenn der Nachwuchs den Broccoli vom Tisch fegt oder Nudeln mit Butter will. Schädlich ist es Studien zufolge nämlich nicht.
TIPP Wenn du dir noch mehr Infos zum Essen mit Kindern wünschst, empfehle ich dir Essen kommen von Jesper Juul und meine Artikel über breifreie Beikost.
Supertaster haben’s nicht leicht. An jeder Ecke lauern ein bitterer Geschmack, fiese Gerüche oder ein weichgekochtes Ei. Kennst du Supertaster oder bist du sogar selbst einer? Welche Vorteile, welche Nachteile überwiegen für dich? Ich wünsche dir jedenfalls guten Appetit – ganz egal, was dir mundet.
In diesem Sinn dir eine genussvolle Zeit.
Deine Tanja
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