Liebe – Merlin gibt seiner Urgroßmutter einen Legostein

Von Liebe – Eigentlich wollte ich am Wochenende nur zu einer Fortbildung in den Norden düsen. Wie daraus der Roadtrip des Jahres wurde? Warum die Liebe auf dieser Reise die Hauptrolle spielte? Was ich daraus gelernt habe?

Von Liebe und alten Wunden

Ich überlasse in meinem Leben viel dem Zufall, an den ich nicht glaube. Menschen, Situationen und Dinge dürfen mich finden, für sich einnehmen, mich berühren. Sie dürfen in mir alte Wunden aufbrechen, auf dass ich sie endgültig heilen kann. Noch vor sechs oder sieben Jahren war das keine bewusste Entscheidung. Ich bin wie ein Schiff ohne Kapitänin über Meere und Seen geschippert. Ich wusste selten, wohin die Reise geht; konnte die Windrichtung kaum strategisch für mich nutzen. Mein Leben war anstrengend. Innerlich wie äußerlich tobte die See und damit ein Kampf – abgesehen von wenigen, unvorhersehbaren Momenten spiegelglatter Wasseroberflächen. Es gab keinen Rhythmus, der mein Leben in Phasen von Spannung und Entspannung eingeteilt hätte.

Ich empfand mich die meiste Zeit meines Lebens als ein Kind der Nacht.

Diese Woche habe ich so klar wie nie zuvor bemerkt, dass ein Rhythmus in mein Leben, mein inneres Haus eingezogen ist. Ganz ohne Geschrei habe ich ihm mit der Zeit Raum geschaffen. Lange habe ich mich in mir umgesehen, Beziehungen, Dinge, Glaubenssätze und Geschichten angeschaut, gespürt, beobachtet. Sie bekamen neue Plätze, ich habe sie neu arrangiert. Andere habe ich ohne Groll und manchmal leider auch mit ziehen lassen.

Irgendwann kippte die Waage. Es gab plötzlich mehr Tag als Nacht für mich.

Letzte Woche fuhr ich mit meinem Kind fast 3000 Kilometer durch Deutschland. Ein ungeplanter Roadtrip, der sich ergeben hat. Die Taufe eines wichtigen kleinen Mädchens in Berlin. Die Freunde in Lübeck, die ich vermisse. Meine Mutter, Stiefvater und Oma an der See. Die Oma habe ich seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Nicht nur 400 Kilometer trennten uns, sondern ein Konflikt, der nicht lösbar schien. Ich sage schien.

Von Liebe zum Auto: Merlin lacht beim Autofahren

Mit Merlin neun Stunden Autofahren? Kein Problem. Wir haben Spaß.

Liebe erlaubt ständige Updates

Nach der Taufe, die so harmonisch war wie selten etwas in unserer Familie … Stop. Manchmal bezichtige ich andere, keine Updates zu machen. Hier habe ich das selbst versäumt. Ich spüre, dass wir uns verändern. Ich spüre, dass das Familienboot auf Kurs ist. Ziel? Das ist für mich die Liebe. Die kluge Svenja sagte einmal:

Du kannst immer wählen, ob du aus der Liebe oder der Angst heraus agierst.

Ich glaube, dass wir miteinander wachsen. Die Konflikte, die an die Oberfläche gelangen, beschreiben den Mut, uns einander endlich zu zeigen.

Mach‘ was draus

Nach jenem Taufwochenende rauschte ich in Richtung See und RiskyDad mit den Hunden zurück in die Hallertau. Leider hatte die Kotzerrei im Haus meiner Freunde angeheuert und so hieß es – Planänderung. Ich rief Merlins Patenleute in Stralsund an und verhaftete den Onkel sogleich zum Spontan-Camping auf Rügen. Da warteten Merlins Schwedenoma und Opa Franz auf ihre Fähre.

Wer spontan reagieren kann, hat Raum für zauberhafte Plan Bs.

Am Dienstagnachmittag landeten wir in Großenbrode, den Bulli parkten wir in der Nähe der Ferienwohnung. Drei Tage am Strand, auf der Terrasse mit meiner Großmutter im Gespräch versunken. Oder in Heiligenhafen beim Fischessen im strömenden Regen. Es war nicht leicht, nein. Und es war wunderschön. Ich konnte den Konflikt mit meiner Großmutter klären. Vielmehr: Es war so leicht, ihn zu benennen, die Perspektiven auszutauschen. Es ging nicht um Schuld.

Schuld ist ein Familienthema, das ich in meinem Leben Stück für Stück loslasse. Gefühle von Schuld helfen niemandem. Übernahme von Verantwortung schon.

Am Freitag fuhren wir in die Heide, wo ich aufgewachsen bin. Abends ging für mich die Reise weiter. Am Samstag um 10 Uhr würde der erste Teil meines Seminars „Kinder- und Jugendchorleitung“ beginnen. Ich konnte Merlin gut bei den Großeltern lassen. Merlins Uroma ließ sich auf ihn ein, was ich nicht als selbstverständlich empfinde. Warum das für mich so ist, beschreibe ich in Großfamilie 2.0. Auf meinem Weg rief Merlin an, dass ich bitte umkehren möge. Selbst wenn ich gewollt hätte – ich stand zwei Stunden im Stau. Kein Entrinnen. Also versprach ich ihm, dass er mich nochmal anrufen könne, wenn er im Bett liegt. Der Anruf kam um 23 Uhr. Danach konnte der kleine Junge ruhig neben Oma einschlafen.

Einem Kind das Gefühl von Verfügbarkeit zu vermitteln gibt ihm Sicherheit.

Ich fand einen vollkommen ruhigen Parkplatz zum Übernachten. Um ein Uhr morgens.

Gemeinsam Reisen – eine Spielart der Liebe

Der Kinderstimmbildungskurs war der eigentliche Grund, der diesen Roadtrip ins Rollen gebracht hatte. Wieso sollte ich nach der Taufe die 600 Kilometer zurück in die Hallertau fahren? Warum schaue ich nicht, wen ich wiedersehen, was ich auf dem Weg zum nächsten beruflichen Meilenstein erleben kann?

Es ist ein großes Geschenk, gemeinsam zu reisen, im Bulli zu übernachten und kleine Abenteuer zu erleben. Kein Schlafrhythmus und auch sonst viel Freiheit. Das tat uns beiden gut.

Am Samstagabend gondelte ich gemütlich und staufrei zurück in die Heide. Den Abend verbrachte ich bei den Nachbarn meiner Eltern. Die feierten Kindergeburtstag, den Merlin bereits den ganzen Tag genossen hat. Um 22 Uhr legte ich ihn in den Bulli schlafen (dank der Babyphone-App kein Problem). Den Rest des Abends verbuche ich dann mal unter „saugeile Zeit“.

Merlin und Mama liegen im Bullibett

Merlin & Mama unterm Bullihimmel – hach, war das fein

Danke, Omi

Am Sonntag wollten wir eigentlich mit ❤-Autorin Beatrice und Sohn in den Wildpark. Das klappte dann ob widriger Umstände nicht. Ich entschied, früher nachhause zu fahren. Der Abschied von meiner Großmutter hat mich bewegt. Ich hätte nie gedacht, dass ich in diesem Leben noch Frieden mit ihr schließen würde. Ich konnte ein tiefes Gefühl der Zuneigung spüren als ich sie vielleicht das letzte Mal in den Arm nahm. Sie wollte den Bulli noch sehen, da sie selbst viele Jahre mit Opa im Reisemobil unterwegs war. Manchmal auch mit der Enkelin an Board, die nicht nachgab, bis die italienische Grenze passiert war.

Je mehr ich über einen Menschen weiß, desto weniger muss ich ihn veurteilen.

Ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar und glücklich ich bin, diese Zeit erlebt zu haben. Meine Großmutter rufe ich nun öfter an um zu erfahren wie es ihr geht. Sie hat mir da draußen auf der Terrasse in Großenbrode von sich und ihrem Leben erzählt. Sie hat ihre Gedanken, Gefühle und Einsichten geteilt. Meine Wut hat der Wind wohl mitgenommen, der um die Ecken pfiff. 

Ich wünsche euch eine zaubervolle Woche mit der einzig wahren Brille auf der Nase. 

Eure Tanja

Wirklich scharf sehen wir nur durch die Brille der Liebe.

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