Kommunikation mit Kindern – ein Spezialgebiet von Saskia John

Im 2. Teil des Gesprächs mit Heilpraktikerin und Autorin Saskia John geht es um feinfühlige Kommunikation mit Kindern. Du erfährst, wie wir gut für uns und unsere Kinder sorgen und mit ihnen liebevoll über die neuen Herausforderungen sprechen können. Warum Saskia glaubt, dass die Krise unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird und was jede*r von uns dazu beitragen kann, habe ich sie auch gefragt. Noch mehr Infos und eine kleine Überraschung für eure Kids gibt es in der Bonusecke.

Ein Gespräch mit Saskia John über liebevolle Kommunikation mit Kindern und Wachstum in der Krise

Tanja Liebe Saskia, über deine Heilungsarbeit haben wir ja bereits gesprochen. Konkret geht es mir jetzt um eine liebevolle Kommunikation mit Kindern. Besonders in Krisenzeiten brauchen wir Strategien und Wege, als Familie unbeschadet zu bleiben.

Saskia Ja, das stimmt. 

Tanja Wie vermittele ich Kindern Halt in Krisenzeiten? Was ist, wenn unsere Werte auf dem Kopf stehen, wir selbst im Moment nicht genau wissen, was richtig, was falsch ist?

Saskia Normalerweise können Eltern mit Situationen umgehen, egal, ob die neu sind oder nicht. In sich gut verbundene Erwachsene haut eine neue Situation nicht gleich um. Und wenn mich das umhaut oder Fragen aufkommen wie: Was mache ich denn jetzt? Oder: Wie gehe ich jetzt damit um?, und ich mich hilflos und handlungsunfähig fühle, dann ist das ein Ausdruck eigener Unverbundenheit. Dann geht’s erstmal darum, dass ich mir dessen bewusstwerde. 

Tanja Was meinst du mit Verbundenheit bzw. Unverbundenheit?

Saskia Mit Verbundenheit meine ich, dass Körper, Geist und Seele im Einklang sind, eine Sprache sprechen. Dass mein Handeln mit dem Ruf meiner Seele im Einklang ist. Dass das, was meinem Verstand Sinn macht, im Herzen und Bauch auch so gefühlt wird. Oft ist es so, dass der Verstand das eine sagt, Herz und Bauch etwas anderes. Das wäre Unverbundenheit. Wenn ich mit mir verbunden und im Einklang bin, weiß ich, egal, was im Außen stattfindet, was jetzt mein nächster Schritt ist, was ich zu tun habe und wie ich das meinem Kind vermittele. Dann bin ich in mir selber ruhig und kann diese Ruhe auch auf das Kind ausstrahlen.

Tanja Was machen die, bei denen das nicht so ist wie bei gefühlt 95 Prozent der Bevölkerung?

Saskia Menschen haben immer die Möglichkeit, für ihr inneres Gleichgewicht zu sorgen. Viele wissen schon lange, dass in ihrem Leben etwas im Argen ist. Sie haben dieses Wissen oder die Ahnung aber verdrängt. Das hat Konsequenzen. Durch die Krise sind sie jetzt mehr oder weniger gezwungen, sich mit den auftretenden Dynamiken in ihrer Paarbeziehung oder in der Beziehung zu ihren Kindern auseinanderzusetzen.  

Tanja Würdest du sagen, dass in der Situation auch eine Chance liegt?

Saskia (Lächelt verschmitzt, wartet einen Moment) Genau. Viele sitzen jetzt eng beieinander. Schwelende Konflikte kommen an die Oberfläche. Die haben sich zuvor nur nicht so gezeigt, weil das Kind in der Kita war oder in der Schule, sich die Eltern den ganzen Tag über nicht gesehen haben. Die kurze Zeit, die man abends dann noch zusammen ist, kann man noch irgendwie verkraften, hin und her managen, bis man dann ins Bett geht. Und dann geht es am nächsten Tag wieder von vorne los.

Jeder weiß irgendwie, mehr oder weniger bewusst, dass hier irgendetwas nicht stimmt. (Saskia John) 

Tanja Das Murmeltier hat also ausgegrüßt …

Saskia Jeder weiß irgendwie, mehr oder weniger bewusst, dass irgendetwas nicht stimmt. Dass wir uns als Paar nicht mehr nah sind, uns aus dem Weg gehen, keine Lust mehr aufeinander haben. Aber es wird oft nicht geklärt. Und jetzt, da wir uns nicht mehr aus dem Weg gehen können, tauchen diese Themen natürlich enorm auf und der Stress wird deutlich sichtbar. Der war aber schon immer da und hat nichts mit Corona zu tun.  

Tanja Das Virus selbst als Symptom?

Saskia Durch diese Situation, durch die Maßnahmen der Bundesregierung, wo derzeit nur Kontakt mit einer Person erlaubt ist, wird das, was die ganze Zeit schon da war, wie auf dem Tablett serviert zuhause. Zugleich habe ich die Chance, mich darum zu kümmern. 

Tanja Ich habe mit Eltern gesprochen, die an ihre Belastbarkeitsgrenzen stoßen. Sie machen Homeoffice, haben zwei kleine Kinder, am besten noch ohne Garten. Was können die als Erste-Hilfe-Maßnahme tun, um wieder aus diesem inneren Notprogramm herauszukommen, um wieder handlungsfähig zu werden?

Saskia Ohne Frage ist das derzeit eine schwierige Situation. Doch das Notprogramm, das da anspringt, hat aus meiner Sicht mit Corona nichts zu tun. Es wäre gut, sich dessen in liebevoller Weise anzunehmen, das wäre das erste.

Tanja Was kann ich machen, ganz konkret?

Saskia Wenn ich nicht weiß, was ich tun kann, dann suche ich mir professionelle Hilfe. Das Zweite ist, wenn ich nicht ganz vereinnahmt bin von meinen emotionalen Reaktionen oder inneren Prozessen, dann wird den Erwachsenen, den Eltern einfallen, wie sie den Tagesverlauf so gestalten, dass beide noch arbeiten und den Nachwuchs versorgen können. Wir wissen dann eine Antwort. 

Tanja Wie könnte das aussehen?

Saskia Der eine könnte z. B. die Kinder übernehmen und der andere macht sein Homeoffice. Und dann wird gewechselt. Da wird den Familien aus der Klarheit heraus eine Lösung einfallen.

Tanja Sie brauchen Struktur.

Saskia Struktur und einen Plan: Wie gehen wir jetzt mit der Situation um? Wann machst du Homeoffice, wann ich? Wann kann ich, wann kannst du besser arbeiten, vormittags oder nachmittags? Mit den Kindern raus in die Natur gehen, wenn das Wetter es zulässt, sodass der Andere dann auch wirklich Ruhe zum Arbeiten hat. Dann muss er aber auch wirklich Homeoffice machen und sich nicht mit Fernsehen, Computerspielen oder Handy ablenken.

Tanja Das heißt, Disziplin ist gefragt.

Saskia Eine gewisse Disziplin ist nötig und das kann ein Erwachsener auch. Es wird beiden Eltern schnell einfallen, wo sie sich neu strukturieren müssen. Wir haben auch als Erwachsene kreative Energie – wenn wir nicht komplett von Angst vereinnahmt sind.

Tanja Und wenn ich den Durchblick verliere?

Saskia Wenn Eltern merken, sie gleiten in die Handlungsunfähigkeit ab und verlieren den Klarblick und den inneren Boden, sollten sie sich professionelle Hilfe holen. Auch ein Gespräch mit dem Arbeitgeber, um nach Arbeitserleichterungen zu suchen, könnte helfen. 

Tanja Das kann das Krisentelefon, die Telefonseelsorge oder Coaching per Skype sein. Machst du sowas auch?

Saskia Ja, ich mache auch Skype- und Telefonsitzungen. Und es gibt, neben dem, was Du schon angesprochen hast, Familienberatungsstellen, wo um Hilfe gebeten werden kann.

Tanja Wie kann ich Kindern die besondere Situation erklären, in der wir uns befinden?

Saskia Wenn ich innerlich verbunden bin, weiß ich, wie ich meinem inneren Kind Dinge erkläre, sodass es sich entspannt und aus der Angst herauskommt. Wenn ich das mit dem inneren Kind kann, kann ich das auch mit dem äußeren Kind.

Tanja Das innere Kind – kannst du kurz beschreiben, was du damit meinst?

Saskia Ja. Das innere Kind steht für unsere Gefühlswelt. Das ist eine Metapher, die für unsere Grundgefühle wie Wut, Trauer, Freude, Angst und Scham, steht. Mit diesen Gefühlen ausgestattet kommen wir zur Welt. Das Innere Kind steht auch für unsere Kreativität, gesunde Neugier und Spontaneität. Es ist unser authentisches Selbst, unser Wesenskern.

Tanja Plötzlich dürfen Kinder nicht mehr auf den Spielplatz, weder Großeltern noch Freunde treffen. Das ganze Leben steht Kopf. Dem Sohn einer Freundin macht die ungewohnte Struktur große Angst. Wie können wir die Verbote und neuen Regeln kindgerecht erklären, ohne Ängste und Unsicherheit auszulösen?

Saskia Da kommt es auf die Altersstufe des Kindes an, wie ich mit ihm spreche. Ich muss mich als Erwachsener auf das jeweilige Kind einstimmen. Einem kleinen Kind könnte man sagen: Es sind jetzt viele Menschen krank. Deswegen bleiben wir zuhause und gehen auch nicht auf den Spielplatz. Wir gehen in den Wald, auf der Wiese oder im Garten spielen. Es geht darum, ganz einfach zu erklären, keine Bilder zu geben, die ein Angstbild im Kind hervorrufen könnten.

Tanja Was könnte so ein Angstbild erzeugen?

Saskia Wenn ich dem Kind zum Beispiel sagen würde, dass da ein Virus ist, das uns alle krank macht und dass davon schon ganz viele Leute gestorben sind. Wenn das Ganze dann vielleicht noch in einer total aufgeregten Energie dargebracht wird, können Bilder der Angst im Kind entstehen. Ein Dreijähriger versteht von Virus und gestorben null, weil er nicht bewusst weiß, was das bedeutet. Aber die aufgeregte Energie, in der das berichtet wird, erzeugt im Kind ein Angstbild, das wiederum Angst im Kind hervorruft.

Tanja Kommunikation mit Kindern ist keine einfache Sache …

Saskia Es kommt nicht nur darauf an, was Eltern sagen, sondern ganz besonders auch darauf, wie und mit welcher Energie sie etwas sagen. Bin ich innerlich ruhig, wird sich diese Ruhe vermitteln und im Kind keinen Stress auslösen. Wenn ich allerdings genervt erkläre: Wir können jetzt nicht auf den Spielplatz, hast du doch schon gehört! Dann ist das nicht wirklich eine Erklärung, sondern ein Wegschieben des Kindes. Es wird über seine Gefühlswelt, seine Wut, seinen Ärger, zeigen, dass es sich nicht gesehen fühlt. Manche ziehen sich auch zurück und werden still, um den Ärger, die Genervtheit der Mutter nicht mehr abzukriegen.

Tanja Vergeht diese Angst nicht wieder?

Saskia Diese inneren Bilder machen im Kind eine Angst – und zwar nachhaltig. Das Kind kann dieses Bild nicht einfach aus seiner Innenwelt wieder löschen, weil es noch nicht über entsprechende Tools verfügt. Weil dieses Angstbild im Kind immer wieder auftaucht, können die Ängste in der Nacht auftauchen, das Kind schlecht schlafen lassen oder es wird auch in anderen Situationen zu Ängsten kommen.

Tanja Kann sich das Bild auch weiter entwickeln oder sich in Kontexte setzen, die gar nichts mehr damit zu tun haben?

Saskia Genau. Das taucht dann öfter auf oder verselbstständigt sich. Das Kind versucht dann, diese Angst zu händeln, indem es sie wegdrängt, weil es damit nicht umgehen kann. Die Angst wird ins Unterbewusstsein verdrängt und entfaltet dort seine Wirkung, indem das Kind innerlich einfach nicht mehr so entspannt ist. Es kann Bauchschmerzen und Nackenverspannungen bekommen oder auch anderweitig krank werden, da der Körper auf unsere Emotionen unmittelbar reagiert. 

Tanja Würdest du sagen, dass es wichtig ist, die Kinder in ihren Reaktionen jetzt gerade sehr zu beobachten und zu gucken, wie sie auf das Gesagte reagieren, bzw. nochmal darüber sprechen? 

Saskia Ja. Es wäre immer gut, das zu tun, nicht nur jetzt. Am besten ist, ich erkläre dem Kind in einem ruhigen Moment die derzeitige Situation. Vielleicht nicht, wenn es gerade raus will. Da würde ich ihm eher eine Alternative vorschlagen, die dem Kind auch Freude macht. Ansonsten entscheide ich als Erwachsener bewusst, wann ich mein Kind aufkläre.

Tanja Du siehst das als eine Form der Aufklärung?

Saskia Ja. Ich könnte z. B. das kleine Kind nehmen und sagen: Du, nicht nur wir, sondern alle Familien haben jetzt beschlossen, zuhause zu bleiben. Das heißt, auf dem Spielplatz ist keiner, draußen auch nicht. Alle Eltern haben auch beschlossen, dass ihre Kinder jetzt eine Zeit lang nicht alleine rausgehen und deswegen halten wir uns auch daran. Das geht auch wieder vorüber und wir gucken mal, was wir in der Zwischenzeit machen.

Tanja Und das wird das Kind einfach so hinnehmen?

Saskia Ja, wenn ich für das Kind da bin und seine Bedürfnisse, z. B. nach Bewegung, erfülle. Ich kann mit dem Kind rausgehen und Spiele mit ihm spielen. Das wird natürlich wissen wollen, wo denn alle sind:  Die sind jetzt alle zuhause. Wir Eltern haben auch beschlossen, dass wir jetzt erstmal auch nicht miteinander spielen, weil es einige Kranke gibt. Damit wir uns nicht anstecken. Aber selbst das Wort Ansteckung verstehen die Kleinen schon nicht mehr.

Tanja Werden sie nicht nachfragen?

Saskia Eher nicht, wenn wir klar kommunizieren: Jetzt haben wir Eltern beschlossen zuhause zu bleiben und nicht miteinander zu spielen, damit wir nicht krank werden. Das Wort krank könnten die Kleinen verstehen. Es gilt, eine Formulierung zu finden, die das Kind nachvollziehen kann. Das wird bei jedem Kind, auch je nach Alter und innerem Entwicklungsstand, ein bisschen anders sein. Den Älteren kann man das schon besser erklären, weil ein größeres Sprachverständnis da ist. 

Tanja …die fragen nach.

Saskia Wenn das Kind eine klare und schlüssige Erklärung erhält, die für es nachvollziehbar ist, hört das Fragen in der Regel auf. Mit dem Virus ist es schwieriger, da Kinder das noch nicht begreifen können, auch Sechsjährige nicht. Das ist, als wenn du einem Afrikaner erklärst, was Schnee ist. Bei ihm entsteht nur ein inneres Bild davon. Was Schnee wirklich ist, weiß er erst, wenn er Schnee angefasst und erfahren hat. 

Ich sehe den Kindern in die Augen, begebe mich auf Augenhöhe und erkläre ihnen zugewandt, dass es da jetzt viele Kranke gibt. (Saskia John) 

Tanja Und wie erkläre ich es den größeren Kindern?

Saskia Ich wende mich den Kindern zu, begebe mich auf Augenhöhe und erkläre ihnen: Es gibt gerade viele Kranke. Damit wir gesund bleiben, haben alle Eltern beschlossen, für eine Weile zuhause zu bleiben und untereinander nicht zu spielen, bis alle wieder gesund sind.

Tanja Ich merke, dass da schon einiges in den Köpfen von Vorschulkindern passiert. Merlin kam neulich mit einem selbstgemalten Virus um die Ecke. Das hat er irgendwo gesehen. Auch das ist eine Form von Verarbeitung. Wenn er das malen kann, ist es auch nicht mehr so bedrohlich.

Saskia Genau. Dann kann man das Kind auch fragen, was es da gemalt hat. Ah, das Virus! Wie fühlst du dich damit? Durch Fragen erfährst du, wie das Kind die Situation verarbeitet und ob dahinter eine Angst steckt. Das ist an den Augen sichtbar. Wenn Angst da ist, kannst du auf das Kind eingehen. Dann kann sich die Angst wieder auflösen, wenn Erwachsene das Kind in seiner Angst begleiten und nicht einfach wegschieben oder etwas nicht Hilfreiches sagen wie: Du brauchst doch keine Angst zu haben.

Der Satz Du brauchst keine Angst zu haben verursacht im Kind einen Konflikt. (Saskia John)

Tanja Dann drängt es das nur weg, dann wird es zum falschen Sicherheitsgefühl. 

Saskia Der Satz Du brauchst keine Angst zu haben verursacht im Kind einen Konflikt. Es möchte dem Erwachsenen, der sagt, es brauche keine Angst zu haben, glauben. Andererseits spürt es die Angst, die ist ja da. Ich habe Angst und der Erwachsene sagt, ich brauche keine zu haben. Ja, was nun? Und wie soll ich die Angst jetzt ausschalten? Nun hat es einen noch größeren Konflikt als vorher. Es will seiner Mama oder dem Papa gerecht werden. Das Kind glaubt dann, dass Angst nicht sein dürfe und wird sie verdrängen.

Tanja Wir haben viel Macht über unsere Kinder in diesem Alter …

Saskia Ein kleines Kind glaubt an das, was die Mama sagt. Sie ist ja viel älter, die muss es ja wissen. Also: Wenn sie sagt, ich brauche keine Angst zu haben, ist das Kind geneigt, ihr mehr zu glauben, statt dem eigenen Gefühl. Also muss die Angst weg. Das ist verständliche Kinderlogik, aber keine Lösung der Angst, sondern ihre Verdrängung mit fatalen Folgen.

Tanja Wie kann ich es besser machen?

Saskia Indem ich mich liebevoll dem Kind zuwende und ausspreche, was ich wahrnehme und das Kind fühlt. Dann kann sich das Kind in seinen Gefühlen von mir ernstgenommen und verstanden fühlen. Das gibt ihm Sicherheit, wodurch sich wiederum die Angst lösen kann. Ich kann dem Kind sagen: Ich sehe und fühle, dass du Angst hast. Ich sehe es an deinen Augen. Und ich höre, dass du Bauchweh hast. Das ist übrigens oft ein Zeichen von Angst – oder dass die Kinder nicht gut oder nicht durchschlafen oder nur bei Licht oder ältere Kinder nur bei den Eltern schlafen können. All das sind oftmals Zeichen für eine nicht verarbeitete Angst.

Tanja Da braucht es unsere Aufmerksamkeit.

Saskia Ja! Es ist wichtig, dass wir wach sind als Eltern und durch Gespräche herausfinden, was im Inneren des Kindes los ist. So können sich Ängste wieder auflösen.

Tanja Was braucht es dafür deiner Meinung nach?

Saskia Eltern können ihre Kinder in ihren Impulsen und Fähigkeiten begleiten und fördern. Das ist das Wichtigste. Dann werden die Beziehungen näher, emotional wärmer. Das ist etwas, was Kinder brauchen: eine emotional nahe, sichere, stabile Beziehung. Tiefer und näher als zu einer Kindergärtnerin oder zu einem Lehrer. Das wäre das Normale.

Die Menschen spüren gerade, dass der Druck wegfällt. Das ist wie ein tiefes Aufatmen in den Menschen. (Saskia John)

Tanja Ich merke auch, dass das Leben jetzt ein Stück weit natürlicher ist als es vorher war, unglaublich.

Saskia Ja, genau. Es ist auch interessant zu sehen, dass für viele Menschen der Druck des ich muss, dieses Ich muss zur Arbeit und die damit verbundene Zeitfalle weg ist. Der Druck lastet schwer und wurde oft nicht mehr wahrgenommen, weil er schon normal geworden ist. Sie spüren gerade, vor allem anfangs, dass der wegfällt. Es gab wie ein tiefes Aufatmen in vielen Menschen. Leider kam schnell wieder anderer Druck dazu: Betreuung, Homeschooling, Homeoffice und Haushalt unter einen Hut zu kriegen.

Tanja Das lässt Menschen wieder kreativ werden.

Saskia Ja! Plötzlich kommen Inhalte und Energien in uns hoch, die vorher nicht mehr leben konnten unter dem Gesellschaftsdeckel von müssen und sollen. Plötzlich wird eine Energie frei und ich höre Leute sagen: Hej, ich freue mich! Endlich kann ich mal machen, was ich möchte, wozu ich ewig nicht mehr gekommen bin. Es taucht eine vergessene Freude in vielen Menschen wieder auf. Das sagt viel aus über unsere bisherige Lebensgestaltung.

Tanja Das berührt mich gerade.

Saskia Da steigt eine Kraft in den Menschen auf, die unter diesem Muss bisher gedeckelt wurde. Das ist schön, das halte ich für gesund. Wir dürfen nur hinterher, wenn das wieder vorbei ist, nicht in das alte Muss, nicht in die alten Zwangshandlungen zurückverfallen. 

Tanja Das wäre für das Kind vermutlich umso schmerzhafter, wenn diese Verbindung sich stärkt und dann wieder…

Saskia …abreißt, weil die Eltern plötzlich keine Zeit mehr haben und wieder von der Arbeit konsumiert sind. Die Kinder ihre Eltern im Extremfall dann wieder nur wenige Stunden am Tag sehen. Das ginge zu Lasten der Kinder. Fehlender innerer Halt und Sicherheit wären die Folgen, mit all den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Tanja Was können wir dafür tun, dass wir uns diesen Zustand erhalten?

Saskia Wir könnten dafür sorgen, dass sich der „Muss-Deckel“ nicht wieder über uns schließt. Darunter erlahmen jegliche Lebendigkeit, Freude und Kreativität. Wir brauchen andere Gesellschaftsstrukturen, die uns heute mehr entsprechen. Ideen dafür gibt es viele. Wir müssten nur beginnen, zu handeln und neue Strukturen aufzubauen. Dass der Staat in kürzester Zeit Milliarden aufbringen kann, wissen wir jetzt. Die Frage ist, wofür dieses Geld ausgegeben bzw. in welche Strukturen, alte oder neue, investiert wird. 

Tanja Was machen diese Gefühle von Angst und Unsicherheit eigentlich mit unseren Kindern?

Saskia Das ist ein wichtiger Punkt. Wir dürfen uns immer wieder daran erinnern: Die Gefühle, die in uns Erwachsenen jetzt auftauchen, z. B.  Zukunftsängste, Angst um unsere Arbeitsstelle etc., wirken sich auch auf die Kinder aus. Wenn die Erwachsenen instabil sind, bekommen die Kinder auch Angst.

Tanja Wie können wir Erwachsenen uns denn stabilisieren?

Saskia Es ist wichtig, den Blick nicht nach außen auf einen Feind, z. B. das Coronavirus oder die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen oder beides, zu richten. Der Blick darf nach innen gehen. Wir können verstehen, dass die Gefühle etwas mit uns zu tun haben. Sie rühren oft aus unserer Vergangenheit her, wo wir etwas in uns nicht verarbeitet haben. 

Tanja So heißt es ja auch ich der gewaltfreien Kommunikation, wann immer du jemanden verurteilst, ist ein eigenes Bedürfnis nicht erfüllt.

Saskia Genau. Und du kannst auch hinschauen, wenn du bemerkst, dass du unangemessen über- oder unterreagierst, wo es keinen logischen Grund dafür gibt. Jetzt kommen viele Ängste, viel Wut hoch. Je länger die Isolierung und die Verbote dauern, desto mehr wird das Verdrängte in uns hochploppen. Unangenehme Dinge tauchen da aus dem Seelenkeller auf. Das ist vergleichbar mit einem Aufenthalt im Gefängnis: Die erste Woche kann ich noch gut verarbeiten, die zweite Woche vielleicht auch noch. Aber je länger ich da drin bin, desto mehr tauchen tiefe seelische Inhalte auf, ob ich will oder nicht.

Tanja Und das hat wohl nichts mit dem Coronavirus zu tun?

Saskia Nein. Das Außen ist ein Spiegel unseres Inneren. Es ist etwas Unverarbeitetes in mir, das schon da ist. Es taucht nur erneut wieder auf. Nach innen schauen und im Inneren verändern. 

Tanja Also so eine Art gesellschaftliches Dunkelretreat.

Saskia (Überraschung im Gesicht) Haaao! Kann man so nennen! Ein gesellschaftliches nach innen Schauen statt ein gesellschaftliches nach außen Schauen, um sich vom Inneren abzulenken. Das wäre aus meiner Sicht sehr hilfreich und heilsam.

Tanja Verantwortung übernehmen statt verantwortlich machen …

Saskia Ja! Jetzt haben wir alle Zeit, weil wir sowieso innen sind, innen in unseren Häusern. Das ist eine wunderbare Zeit! Wir können Themen, die in unseren Familien auftauchen, als Erwachsene untereinander klären. Damit halten wir uns auch stabil für die Kinder, die uns stabil brauchen. Wenn wir stabil sind und unsere Dinge miteinander klären, gehen die Kinder gut durch die Krise. Kindern macht Stress, wenn sie keine nachvollziehbare Erklärung bekommen, sondern abgewimmelt werden mit fadenscheinigen Erklärungen. Und um unsere Probleme, die wir als Erwachsene haben, weil der Arbeitsplatz vielleicht wegbricht oder Dinge sich umstrukturieren, müssen wir uns kümmern.

Wir können uns immer fragen: Was sagt die Liebe, was für eine Idee hätte die Liebe jetzt? (Saskia John)

Tanja Also raus aus der Vogelstrauß-Politik?

Saskia Es ist wichtig, dass wir nicht einfach die Augen zu machen und durchgehen, so, wie Kinder das machen mit den Händen vorm Gesicht: Ich bin nicht zu sehen, also bin ich nicht da. Wir können die Dinge verantwortungsbewusst angehen und anschauen, was auf den Tisch kommt. Es ist wichtig, ins Gespräch zu gehen mit unseren Partnern, Kindern, anderen Menschen und Beziehungen zu pflegen. In Verbindung mit dem Herzen. Also nicht nur rein rational, abgeschnitten von unseren Gefühlen, sondern mit der Liebe unseres Herzens kommunizieren. Wir können bei allem, was einer Lösung bedarf, immer nach den realen Fakten schauen (Reality-Check!) und uns fragen: Was sagt die Liebe, was für eine Idee hätte die Liebe jetzt?

Tanja Das lässt sich praktisch auf alle Situationen übertragen. Ich habe gleich ein Beispiel: Bald ist Ostern. Viele Familien haben gerade weniger Geld für Konsum oder Kinderwünsche. Wie können wir das den Kindern vermitteln, ohne ihnen ein Gefühl von Mangel zu geben?

Saskia Das kann klar und verständlich angesprochen werden: Pauline, oder wie immer das Kind heißt, meine Arbeitssituation hat sich geändert. Ich habe jetzt weniger Geld zur Verfügung und kann dir aus dem Grund deinen Wunsch zu Ostern leider nicht erfüllen.

Tanja Und dann begleitest du die Trauer darüber.

Saskia Genau. Du kannst sagen: Ich kann gut verstehen, dass du traurig bist. Es ist wirklich so schade, dass du jetzt kein Fahrrad bekommen kannst – oder was immer das Kind sich gerade wünscht. Und dann bin ich mit dem Kind und seiner Trauer und lasse es nicht stehen mit der Aussage, indem ich wieder meiner Arbeit nachgehe. Ich bleibe mit dem Kind, bis es durch die Trauer durch ist und die Information verarbeitet hat. Wenn Kinder spüren, dass die Eltern es ehrlich meinen, es ihnen wirklich leid tut und sie es tatsächlich nicht ändern können, ist das für Kinder kein Problem. Das Problem fängt für sie da an, wo Erwachsene nicht adäquat kommunizieren, nicht mit den Gefühlen des Kindes bleiben und es sich nicht gesehen fühlt in seinen Gefühlsreaktionen.

Wenn ich etwas aushalten muss, bin ich im Überlebensmechanismus. (Saskia John)

Tanja Das heißt, die Eltern müssen zusätzlich auch die Trauer und die Gefühle ihrer Kinder aushalten und begleiten?

Saskia Wenn ich etwas aushalten muss, bin ich im Überlebensmechanismus. Es geht ums Begleiten. Wenn ich als Erwachsener anfange etwas auszuhalten, ist das ein Zeichen, dass in mir eine Wunde anspringt, um die ich mich kümmern darf. Ein Erwachsener hat immer eine Wahl, auch wenn er davon nicht immer Gebrauch macht. Auch das ist seine Entscheidung.

Diese Krise könnte eine Chance sein, dass wir als Menschheit einen nächsten Entwicklungsschritt machen und nicht stehen bleiben. (Saskia John)

Tanja Selbst der Zukunftsforscher Matthias Horx schreibt, dass nach der Corona-Krise nichts mehr so sein wird wie vorher. Wir werden uns zurückbesinnen, de-globalisieren. Es ist die Frage, ob wir das auf Dauer beibehalten können. Was können wir denn machen gegen das Vergessen?

Saskia Das ist eine interessante Frage … Es geht um Innenschau, meiner Meinung nach. Wir können Dinge tun, die uns mit unserem Inneren in Kontakt bringen: zum Beispiel Meditation, Yoga, Autogenes Training, Dunkelretreats. Das hilft uns, Unterbewusstes bewusst zu machen. 

Tanja Das sind konkrete Dinge, die wir tun können. 

Saskia Das ist das eine. Zweitens kommt ja gerade jetzt in der Corona-Krise viel dieser bislang verdrängten Energie in Form der Ängste wieder hoch. Daher sind diese gerade nicht mehr so unbewusst. Wichtig ist aus meiner Sicht, Ängste, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben, nicht mit der Gegenwart zu verwechseln und z. B. auf Corona oder die Politiker zu projizieren. Denn in der Projektion finden sie keine Lösung, sondern produzieren nur weitere Verstrickung und neues Leid, das in die nächsten Generationen weitergegeben wird.

Tanja Niemand und nichts ist schuld an meinen Gefühlen.

Saskia Nein. … Und es geht nicht um Schuld. Meine Gefühle haben etwas mit mir zu tun, sind in bestimmten Situationen in mir entstanden. Ich kann mir anschauen, woher sie kommen und alte emotionale Wunden heilen. Daher könnte diese Krise eine Chance sein, dass wir als Menschheit einen nächsten Entwicklungsschritt machen und nicht stehen bleiben.

Tanja Meinst du, dass das schon genug Menschen so sehen, um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen?

Saskia Vielen ist bewusst, dass etwas nicht mehr stimmig ist in unserer Gesellschaft. Ändern konnten wir es aber bislang nicht. Und plötzlich, durch dieses kleine Virus, werden innerhalb von Tagen unglaubliche Maßnahmen ergriffen, die vorher nicht einmal denkbar waren. Die Corona-Krise betrifft gerade alle Menschen. Das ist weltweit neu und hat eine große Kraft.

Tanja Jetzt wissen wir, dass es geht.

Saskia Genau! Auf einmal wird alles geschlossen, komplett ganze Länder, nein, die gesamte Welt stillgelegt. Wegen der Klimakrise wurde weltweit nicht so gehandelt. Da war die Angst noch nicht groß genug.

Tanja Das Gefühl habe ich auch. Als ob die Schöpfung gedacht hat: Ok. Ihr wollt das noch nicht so ganz begreifen. Dann probieren wir’s auf eine andere Art.

Saskia Genau. Und: Einige der wegen Covid-19 erlassenen Maßnahmen scheinen mir aus der Angst geboren zu sein. Daher wäre es meines Erachtens wichtig, uns zu fragen: Wie können wir diese Angst transformieren? Wenn sie transformiert ist, wäre das ein innerer Wachstumsschritt. Wenn über die Hälfte der Menschen diesen inneren Schritt gingen, könnten wir eine andere Gesellschaftsform kreieren, eine, die uns heute mehr entspricht. Wir haben uns im Alten eingerichtet. Aber sind wir wirklich zufrieden? Haben wir inneren Frieden? Nein. Den können wir aber herstellen, wenn wir uns unserer Angst stellen. Der Frieden ist hier (im Herzen, A. d. R.) drin.

Es geht darum, die Probleme jetzt anzugehen und sie nicht wieder auf morgen zu verschieben, sondern nachhaltig zu lösen. (Saskia John)

Tanja Was bedeutet das übertragen auf die Familie, was glaubst du können wir tun, zusammenfassend?

Saskia Wenn ich merke, dass ich emotional gereizt, überfordert, angetriggert bin oder Angst habe, kann ich mit dem Partner und Freunden darüber sprechen, bitte nicht mit dem Kind. Und wenn ich die innere Reaktion nicht beruhigen und auflösen kann, nehme ich mir adäquate Hilfe, damit ich die Probleme, die innerhalb der Familie auftauchen, lösen kann. Es geht darum, die Probleme jetzt anzugehen und nachhaltig zu lösen, statt sie wieder auf morgen zu verschieben.

Tanja Wie können wir das machen?

Saskia Wir können einander zuhören und nicht auf unserer Meinung beharren. Es ist wichtig, sich für den Standpunkt des Partners zu interessieren. Und wenn wir noch keinen eigenen Standpunkt haben, können wir uns einen bilden. Wir können uns austauschen über das, was in uns passiert, was wir fühlen. Es geht darum, Gefühle zu teilen, sie nicht mit sich allein auszumachen, Probleme nicht in sich hineinzufressen. Wichtig ist, dass wir ein Ohr füreinander haben.

Tanja Was kann uns dabei unterstützen?

Saskia Wenn wir einen Partner haben, der gerade entspannt ist, könnte er zuhören, sodass wir die eigenen Gefühle in Kontakt bringen können. Wir brauchen die Bereitschaft, die emotionale Wahrheit des anderen zu hören. Wir brauchen einen besonneneren Umgang miteinander, mehr aus dem Herzen, liebevoller. Und uns klar machen: Ok, das sind meine Gefühle und die Verantwortung für diese Gefühle trage ich allein.

Tanja Das ist eine ziemliche Herausforderung.

Saskia Das ist schwer, weil wir das nicht gewohnt sind, aber das können wir üben. Jetzt sind wir gezwungen, es zu üben. Vorher war das noch eine freiwillige Wahl. Jetzt sagt das Universum: Vorbei, raus aus den Kinderschuhen. Jetzt geht es darum, das Wissen, das sich schon viele spirituell angeeignet haben, auch umzusetzen. 

Tanja Wie könnte das konkret aussehen?

Saskia Mein Gefühl ist, dass die Zeit vorbei ist, Seminare zu besuchen, sich Wissen anzueignen und dennoch so weiter zu machen wie bisher. Durch die Anwendung des Wissens kann es stabilisiert werden und Einzug in die Gesellschaft finden. Dieses Wissen ist schon weit verbreitet und die jüngere Generation bringt es bereits mit.

Tanja Das nehme ich auch so wahr. 

Saskia Tausende haben schon die Lehren von Deepak Chopra, Eckhard Tolle und anderen Lehrern gehört, gelesen und sich Wissen angeeignet. Es ist vieles da – wir müssen es nur noch anwenden. Ich glaube, die Krise taucht zum jetzigen Zeitpunkt auf, weil genügend Kraft da ist durch die weltweite spirituelle Arbeit, die Seminare, die Aufstellungs- und Heilarbeit.

Tanja Und plötzlich entsteht Raum, das Wissen umzusetzen.

Saskia Genau! Weil die Corona-Infektionen aus der Sorge, dass die Ärzte überfordert werden und unsere Krankenhauskapazitäten nicht ausreichen könnten, herausgezögert werden, werden auch die Einschränkungsmaßnahmen länger dauern. So entsteht Zeit und Raum für die Innenschau und die Verbindung mit unserem Höheren Selbst. Und es gibt Zeit, die neuen Impulse, die überall gerade durch die Einschränkungen emporsprießen, in uns zu stabilisieren. 

Tanja Und wie kann es nach Corona weitergehen?

Saskia Wenn später wieder eine Art Muss zurückkehrt, jetzt musst du wieder zur Arbeit, trifft es auf diese kreative Kraft, die in der Zwischenzeit im Homeoffice stärker geworden ist. Dann können wir uns fragen: Was machen wir mit der alten Struktur, wie verändern wir sie, dass es uns grundsätzlich innerhalb unserer Gesellschaft besser geht als vorher? Wenn die alten Strukturen und Muster wieder zuschnappen wollen, weil die Corona-Krise vorbei ist, könnte ich aus der inneren Kraft sagen: Will ich in den alten Strukturen weiterarbeiten oder diese Arbeit noch machen? Oder habe ich mittlerweile etwas ganz anderes entdeckt, was mit mir viel mehr im Einklang ist?

Tanja Das klingt nach Aufbruch.

Saskia Ja. Vielleicht sind wir jetzt mehr bereit, von der innerlichen Couch aufzustehen, um Dinge anzupacken: Alles, was nicht stimmig ist, darf aus unserem Leben gehen. Neues darf Einzug halten, damit es stimmig wird. Dann macht das Leben wieder Spaß und die Menschen können wieder mit Freude zur Arbeit gehen. So würde unsere Gesellschaft eine andere werden. Dazu können wir alle beitragen, indem wir uns dessen bewusst werden, was hier gerade passiert.

Tanja Wie ist denn das für dich? Wie hat sich das Leben gerade für dich verändert, wie fühlt es sich für dich an?

Saskia Das Kollektive fühlt sich voller Angst an. Ich mache im Moment Videos, die ich auf YouTube hochlade – darin geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, z. B. bei Angst. Therapie und  Coachings mache ich online, ebenso meine Seminare Familienstellen und Inneres Kind heilen. Ansonsten sorge ich gut für mich und transformiere Ängste, die aus meiner Vergangenheit hochkommen. So kann ich meine Kraft, mein Wissen und meine Energie halten für die Menschen, die das gerade nicht können und bei mir Unterstützung suchen.

Tanja Was bedeutet gut für sich sorgen für dich? 

Saskia Tai Chi, meditieren und mir meine Ängste oder andere Gefühle, die durch die Maßnahmen in mir getriggert sind, anschauen: Hm? Das Gefühl passt doch gar nicht zu meinem Leben.

Tanja Wer bist denn du?! 

(Wir lachen)

Saskia Ja, genau, wer bist denn du?! Ich gehe in einen gefühlten Kontakt mit der Angst, allein oder zusammen mit einem Freund per Onlinesitzung, und schaue, was der Platz, der in mir Angst hat – meist mein Inneres Kind – von mir braucht, um sich entspannen zu können. Ich habe ein Netzwerk von Freunden, wo wir uns gegenseitig bei solchen Themen helfen.

Tanja Netzwerk – das ist, glaube ich, auch eine ganz wichtige Sache.

Saskia Ja, ein Netzwerk von Freunden, wo ihr euch gegenseitig unterstützen könnt. Es geht weniger um Ratschläge. Zuhören, Raum und Zeit geben für Gefühle, damit sie in liebevoller Zuwendung gefühlt werden können, ist wichtig. Dadurch kommen sie in die Wandlung, bleiben nicht eingefroren und ziehen nicht die immer gleichen Situationen an. Genau dadurch, indem wir sie fühlen mit dem Bewusstsein: Ok, die gehören irgendwo in unsere Vergangenheit, nicht nach draußen. Wir sind mehr als unsere Gefühle.

Nur weil wir physisch nicht zueinander können, heißt das ja nicht, dass wir nicht im Austausch stehen können. (Saskia John)

Tanja Ich bemerke das auch bei Freunden und bei mir selbst. Es gibt viel Redebedarf, auch bei denjenigen, die sich sowieso viele Gedanken machen.

Saskia Ja, füreinander da sein, wenn die Kraft dafür vorhanden ist. Wenn ich selbst am Limit bin, auch um Hilfe bitten. Man kann sich per Zoom auch als Gruppe treffen und dann können mehrere Leute für den einen oder die zwei präsent sein, die gerade Unterstützung brauchen. Die Gruppe kann die Energie besser halten, sowas brauchen wir. Nur weil wir physisch nicht zueinander können, heißt das ja nicht, dass wir nicht im Austausch stehen können.

Tanja Das gilt ja auch für die Kinder.

Saskia Genau. Man kann bei Bedarf auch für die Kinder Skype-Sitzungen einrichten, sodass die Freunde sich sehen können. Hej, du willst deinen Freund sehen? Na klar, komm, das machen wir! Es ist wichtig, den Kindern auch Skype- und Telefonzeiten zu ermöglichen, damit sie sich mit ihren Freunden austauschen können. So leiden auch ihre Freundschaften nicht unter der Situation. Wir müssen berücksichtigen, dass sich Kinder auch viel zu erzählen haben, nicht nur wir Erwachsenen!

Tanja Wie kann das aussehen?

Saskia Wenn die Kinder sagen, sie wollen mit Felix spielen, könnten wir antworten, dass sie sich zwar gerade nicht treffen können, aber anrufen möglich ist. Vielleicht ist Felix gerade zuhause. Dann holen wir die Geräte raus und ihr könnt euch per Video treffen. 

Tanja Dann danke ich dir für deine Zeit und die Freude, mit der du dabei warst, Saskia. Gibt es noch irgendetwas, was du den Leser*innen sagen möchtest? 

Saskia Es ist wichtig nach innen zu schauen und zu verstehen, dass die Gefühle mit mir zu tun haben und weniger mit dem Außen. Das Coronavirus, die Maßnahmen der Bundesregierung, die zwischenmenschlichen Probleme – wir entscheiden, wie wir darauf reagieren. 

Tanja Warum ist das so wichtig?

Saskia Ansonsten bleiben wir da, wo wir immer waren: In der Projektion und der andere ist schuld an meinen Gefühlen. Es ist wichtig mitzukriegen, wenn ich reagiere und Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, sie zu heilen und zu integrieren. Wir brauchen die Bereitschaft, einander zuzuhören, statt auf der eigenen Wahrheit zu bestehen. Ein besonnenerer Umgang miteinander, mehr aus dem Herzen, liebevoller. 

Tanja Worauf kommt es dabei an?

Saskia Wichtig ist aus meiner Sicht, bei jeder Handlung zu prüfen, was unsere Absicht dahinter ist und aus welchem Platz in mir der Impuls zur Handlung kommt: Aus der Angst oder aus innerer Weisheit und Gelassenheit? Angstbasierte Handlungen dienen immer der Kompensation der Angst und führen in immer weiteres Leid. Und ebenso wichtig: Der Klima- und Gesellschaftswandel fängt in jedem von uns an, indem wir für ein gesünderes Klima in uns selbst und in unseren Familien sorgen. Ein wertvolleres Geschenk können wir uns und unseren Kindern nicht machen.

Tanja Ein passendes Schlusswort, finde ich. Ich danke dir für deine Zeit und dein Engagement, liebe Saskia.

Wer ist Saskia John?

Saskia John, Jahrgang 1961, wuchs in der ehemaligen DDR auf. Die Wende im November 1989 leitete einen persönlichen Wandlungs- und Wachstumsprozess ein, der bis heute andauert. Ihr kompromissloser Weg ist ausgerichtet auf menschliche Werte und höhere Ebenen des Seins, dabei dringt sie in immer tiefere Ebenen von Authentizität, Selbst-Erkenntnis und Verantwortung vor.
Seit 1994 arbeitet Saskia John als Therapeutin in eigener Praxis und begleitet Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu Heilung und spirituellem Wachstum.

Kommunikation mit Kindern – gemeinsam auf der Slackline

Einander unterstützen, gemeinsam wachsen und lernen – das wünschen wir uns.

TIPP Wenn dich die Kommunikation mit Kindern und die Heilung von Traumata interessiert, könnte der 1. Teil meines Gesprächs mit Saskia und die Rezension des Buches Die Schuldigen von Hanna und Nora Ziegert etwas für dich sein. Unterstützung für deinen eigenen Heilungsprozess bekommst du auf Saskia Johns YouTube-Channel und in ihrem Buch Grenzerfahrung Dunkelretreat*. Gedanke zur Krise bietet mein Artikel über Corona.

Mich bewegt das Gespräch mit Saskia nachhaltig, das weit über die Kommunikation mit Kindern hinausging. Wann immer ich recht behalten, meine Wahrheit durchsetzen oder manipulieren will, beschleicht mich ein seltsames Gefühl: Nein, ich will das nicht mehr. Ich möchte erfahren, was andere bewegt, statt sie mit meinen Wahrheiten zu impfen. 

In diesem Sinn – lasst uns einander aushelfen, unterstützen und Orientierung geben, wenn die Sicht vernebelt ist. Wir wünschen euch frohe Ostern. Möge etwas dran sein an der Auferstehung, wir könnten sie brauchen.

Eure RiskyMum Tanja

Bonusecke – feinfühlige Kommunikation mit Kindern zum Anfassen

Du möchtest noch tiefer eintauchen in Heilungsthemen? Und du bist neugierig geworden und willst erfahren, was Saskia zu Hamsterkäufen und Epigenetik in Bezug auf die Krise sagt? Dann sichere direinen weiteren Auszug des Gesprächs als kostenloses pdf. Für deine Kids hat meine Freundin Beatrice eine kostenlose Coronavirus-Malvorlage zum Ausdrucken gestaltet. Wir finden, dass alles, was ein Gesicht hat, greifbarer wird, Ängste hilft abzubauen bzw. unterstützt, sie gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Coming soon …

Da die Corona-Krise weder beruflich noch privat spurlos an uns vorbeigegangen ist, kommt die monatliche Rezension inklusive Verlosung erst nächsten Freitag. Es geht um die zuckerfreie Ernährung für Kinder. Dann erfährst du, ob uns das neue Buch vom GU-Verlag zusagt. Wenn du erfahren willst, was uns derzeit umtreibt, besuche uns doch auf Instagram. In unserer Serie Familie & Corona – Aspekte einer Krise erfährst du, was uns umtreibt und was uns persönlich Halt gibt.

Mein herzlicher Dank gilt Saskia John für ihre Zeit und Freude, mit der sie mich bei der Erstellung des Interviews unterstützt hat und Beatrice Weiß für das liebevoll gestaltete Gimmick.

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